Geschichte
Die wohl ersten bekannten Wallfahrten in Litauen waren die 1604 begonnenen feierlichen Prozessionen von Vilnius nach Trakai zum wundertätigen Muttergottesbild. Im XVII. Jahrhundert besuchten die Pilger besonders häufig solche Heiligtümer, die durch wundertätige Gnadenbilder berühmt waren. Als dann einige dieser Bilder breiter berühmt wurden, schmückte man als Zeichen der Dankbarkeit für erfahrene Gnadengaben die meisten von ihnen mit Voten und auch mit kunstvoll gestalteten, oft aus Voten gegossenen Ummante-lungen.. Die berühmtesten Muttergottesbilder wurden feierlich gekrönt. Diese Tradition der Krönung von berühmten Marienbildern wird in Litauen bis auf den heutigen Tag gepflegt.
Außer zu den Gnadenbildern zog es die Pilger des Großfürstentums Litauen besonders zu den Heiligtümern, die an den Leidensweg des Erlösers erinnern. Da zu damaliger Zeit Pilgerreisen in das Heilige Land fast unmöglich waren, wurden die Stationen des Leidenswegs des Erlösers in anderen Ländern gewissermaßen wieder neu errichtet, damit diese Orte auf solche Weise den einheimischen Pilgern zugänglich wurden. 1639 ließ der Bischof von Nieder-litauen Jurgis Tiškevičius den ersten Kalvarienberg des Großfürstentums in Gardus errichten; er bemühte sich sogar, den Ort in Neu-Jerusalem umzubenennen. 1644 wurde zum ersten Mal der durch den Vilniuser Bischof Jurgis Bialozoras errichtete Kreuzweg Kalvarija in Verkiai begangen. Diese Frömmigkeitsform, die Gedanken, Gefühle und Vorstellungskraft der Wall-fahrer weckte, ist in Litauen bis auf den heutigen Tag sehr populär.
Unter den vielen berühmten Heiligtümern Litauens ragt Šiluva besonders hervor. Dorthin zogen Wallfahrer nicht nur wegen des Gnadenbildes der Gottesmutter, sondern auch wegen des Ortes der Offenbarung der Gottesmutter.
Anregung zu den Wallfahrten erhielten die Pilger besonders durch die erlebten und bezeugten Wunder – Bekehrung oder Heilung der Leiden von Leib und Seele.Dies erhofften sie auch für sich selbst und ihre Nächsten erbitten zu können. Das Wallfahren zu den mit Ablässen ausgezeichneten Orten wurde auch beflügelt durch die Hoffnung durch die Kirche einen Ablass für den teilweisen oder vollkommenen Nachlass der Sündenstrafen zu erwerben.
Eine natürliche Weiterentwicklung des Pilgertums im XIX. und XX. Jahrhundert behinderten die Okkupationsmächte. Im XIX. Jahrhundert verbot nach dem Aufstand von 1863 die Zarenmacht öffentliche Wallfahrten zu Ablassfesten, Prozessionen, das Aufstellen von Kreuzen und eine Menge anderer Formen eines öffentlichen Glaubensausdrucks. Diese Verbote verminderten den Umfang dieser Wallfahrten beträchtlich. Diese wurden jetzt mehr zu Initiativen einzelner Gläubiger, kamen jedoch nie ganz zum Erliegen. Die meisten Menschen umgingen bewusst die Verbote der Staatsmacht oder hielten sich nicht an sie.
In den Jahren der sowjetischen Okkupation war jeglicher Ausdruck öffentlich gezeigter Religiösität besonders streng verboten. Den Teilnehmern der Wallfahrten, insbesondere deren Organisatoren, drohten große Strafen. Aber trotzdem brach auch in Zeiten der Verfolgung die Tradition der bekannten Wallfahrten nicht ab, wenngleich sie sich etwas abschwächte. Denn die Teilnahme an öffentlichen religiösen Wallfahrten, das organisiert Reisen zu Ablassfesten, das Aufstellen von Kreuzen u. ä . bedeutete für viele den Verlust des Arbeitsplatzes, der Möglichkeit eines Studiums oder gar eine lange Haftstrafe oder auch die Verbannung. So waren in den Zeiten der sowjetischen Okkupation Pilger und Wallfahrer Glaubenszeugen, einige von ihnen fürchteten sich auch nicht, sogar das Martyrium wegen des Allmächtigen auf sich zu nehmen. Der wohl bekannteste Ort starken Glaubenszeugnisses in den Jahren der sowjetischen Okkupation wurde der Berg der Kreuze.