Die Wallfahrten
Gegen Ende des XIX. und zu Beginn des XX. Jahrhunderts zogen Kranke und von Not Betroffene vereinzelt und in Gruppen zum Kreuzberg, um dort zu beten und um Kreuze aufzustellen. Es langten sogar Wallfahrer aus entfernteren Pfarreien an. Aber ganz Litauen umfaßten die Wallfahrten zum Kreuzberg erst in der Sowjetzeit. Da sie von den Menschen etwas über den Kreuzberg erfahren hatten, kamen zu Fuß auch Wallfahrer aus anderen von den Sowjets annektierten Ländern, um hier zu beten oder Kreuze aufzustellen. Diese Wall-fahrten und insbesondere das Aufstellen von Kreuzen stellten eine Herausforderung für die atheistischen Machthaber dar. Den zum Kreuzberg ziehenden Wallfahrern drohten die ver-schiedensten Strafen. Sie wurden verfolgt. Deshalb bedurfte es einer großen Entschlossenheit und Treue zum Allmächtigen. In den Sowjetjahren wurden die Wallfahrtszüge und Prozes-sionen zum Kreuzberg und das Aufstellen der Kreuze oft von der im Untergrund arbeitenden katholischen Jugendorganisation Freunde der Eucharistie organisiert. Die Wallfahrten begannen gewöhnlich mit der Feier der hl. Messe; danach zogen dann die Teilnehmer der Prozession Kirchenlieder singend und betend zum Berg. Die Wallfahrer trugen , sich einander abwechselnd, ein Kreuz oder einen Bildstock mit sich. An diesen Wallfahrtszügen beteiligten sich immer wieder ganz viele Schüler, Studenten und andere Jugendliche. Einige Personen wurden auch wegen des Organisierens von solchen Pilgerzügen oder wegen des Aufstellens von Kreuzen festgenommen und verurteilt.
In der Morgenröte der Unabhängigkeit und nach ihrer Erringung wurden die Wallfahrten zum Kreuzberg, die jetzt von niemand mehr behindert wurden, überaus populär. Zu ihrer Popu-larität trugen in nicht unerheblichem Maße auch die Äußerungen des Heiligen Vaters bei, der im Jahre 1993 den Kreuzberg besuchte. Zum Kreuzberg begannen jetzt Wallfahrer aus fast allen Ländern der Erde zu wallfahren. Mit der Errichtung des Bistums Šiauliai und der Wiedereinführung des Ablasses des Kreuzberges nahmen die Ströme der Wallfahrer noch zu. Eine der eindrucksvollsten Wallfahrten war die Fußwallfahrt von mehr als 4000 Jugendlichen, die im Frühjahr des Jahres 2004 in Šiauliai den Jugendtag begingen und von dort zu Fuß zum Kreuzberg pilgerten. Weithin bekannt sind auch die alljährlich vom Kreuzberg zum Ablass-fest in Šiluva ziehenden Wallfahrten, die man im Jahre 2003 aus Anlaß des 10 Jahrestages des Besuchs von Papst Johannes Paul II. in Litauen zu organisieren begann. Die Wallfahrt vom Kreuzberg nach Šiluva dauert drei Tage, wobei die Wallfahrer ungefähr siebzig Kilometer zurücklegen.