Die Gebetstradition
In der sechs Jahrhunderte währenden Geschichte der Kirche der Heimsuchung der aller-heiligsten Jungfrau Maria in Trakai erregt das Hauptinteresse derPilger das Gnadenbild der Gottesmutter, das schon im XVI Jahrhundert durch Wundertaten Berühmtheit erlangte. Während der Pestepidemie des Jahres 1603 hielt der Bischof von Vilnius, Benediktas Vaina (1556–1615) eine Wallfahrt von Vilnius nach Trakei zum durch seine Wunder berühmten Bildnis ab. Die Verehrung des Bildes bezeugen die Wallfahrten der Herrscher aus der ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts. Im Jahre 1611 kam Königin Konstanzija (1588–1631) in Begleitung des Jesuiten Piotr Skarga (1536–1612) nach Trakai, um um Hilfe für Sigismund Vasa (1566–1632) im Feldzug gegen Smolensk zu bitten.1622 schuf Motiejus Kazimieras Sarbievijus (1595–1640) ein Gedicht, vier dem Wojewoden von Trakai Jonušas Tiškevičius (1590–1649) gewidmete Epoden, der mit einer Prozession von Vilnius nach Trakai kam, um das Bildnis der allerheiligsten Jungfrau Maria zu verehren und Dank zu sagen für den Sieg gegen die Türken im Jahre 1621 bei Chotin.1639 berichtete der päpstliche Nuntius nach Rom über eine Pilgerreise von König Vladislav Vasa (1595–1648) nach Trakai.
Noch vor 1615 besorgte der damalige Propst von Trakai und künftige Bischof von Vilnius, Eustachijus Valavičius (1560–1630) einen neuen Altar der allerheiligsten Jungfrau Maria. Um das Jahr 1630 beschenkte der Kanzler Litauens, Leonas Sapiega (1577–1633) das Bild mit einer wertvollen goldenen Krone. Die Kunde über die in Trakai mannigfaltig erfahrenen Gnaddengaben verbreiteten sich im ganzen Großfürstentum Litauen. In der erstenHälfte des XVII. Jahrhunderts gab es in ganz Litauen kein berühmteres Muttergottesbild als das von Trakai. Deshalb wurde es in der Zeit des Krieges mit Russland 1655–1661 weggebracht und verborgen und später übertragen in die Kasimirskapelle des Doms von Vilnius, wo es bis 1667 war. 1702 während des Nordischen Krieges wurde das Bild wieder nach Vilnius gebracht und im Bischofspalast bewahrt.
Am 4. September 1718 wurde das Bildnis der Muttergottes von Trakai mit von Papst Clemens XI. gweihten Kronen gekrönt. Das war das erste offiziell durch den Heiligen Stuhl in Litauen gekrönte Gnadenbild der allerheiligsten Jungfrau Maria. Der Vilniuser Bischof Konstantinas Kazimieras Bžostovskis (1644–1722) versah die Häupter Mariens und Christi mit den goldenen vom Papst geschenkten Diademen und die ältere, wertvolle nach Vytautas benannte Krone ließ er über dem Bildnis anbringen. Während der Predigt der Krönungsfeierlichkeiten betonte Bischof Bžostovskis, daß das königliche Diadem die Trakaier Maria als Patronin Litauens auszeichnet.
Kopien des Bildes der Muttergottes von Trakai waren im ganzen Großfürstentum Litauen verbreitet, die meisten von ihnen schmückten von ortsansässigen Meistern getriebene Metall-ummantelungen. Die älteste Kopie, die einmal an der Wehrmauer des Trakaier Tors der Stadt Vilnius hing, ist heute in der St. Michaelskirche in Nemečinė aufbewahrt. Ein berühmtes Abbild der Muttergottes von Trakai in Lettland ist die Muttergottes von Aglona.
Alljährlich am 15. August, zum Fest der Aufnahme der allerheiligsten Jungfrau Maria in den Himmel, und am 8. September, dem Fest Mariae Geburt, wird das Ablasssfest in der Kirche von Trakai gefeiert. Diese Feste und der Ablass sind unter dem Namen „Trakiner“ bekannt. In ihrer Zeit finden Wallfahrten von Aušros Vartai in Vilnius nach Trakai statt. Die in der Sowjetzeit bedrängte und eingeschlafene Tradition der Wallfahrten lebte nach der Wieder-erringung der Unabhängigkeit Litauens wieder auf. Die Pilgergruppen beginnen normaler-weise ihre Fußwallfahrt bei Aušros Vartai. An der Spitze der Prozession wird ein Kreuz getragen, Lieder und Litaneien werden gesungen und der Rosenkranz gebetet. Fast alle Pilgergruppen besuchen unterwegs die Kirche Mariae Verkündigung in Lentvaris, in der Reliquien des hl. Franziskus aufbewahrt sind und ebenfalls ein wundertätiges Gnadenbild der allerheiligsten Jungfrau Maria der immerwährenden Hilfe. Der Höhepunkt der Wallfahrten ist die hl. Messe in der Kirche der Heimsuchung der allerheiligsten Jungfrau Maria in Trakai.
Vor der Muttergottes von Trakai, der Patronin Litauens wird normalerweise die Lauretanische Litanei gesungen oder gebetet sowie das Gebet „Unter deinen Schutz und Schirm“und es werden auch die Psalmen aus dem der Verehrung der Gottesmutter bestimmten Teil des Stundengebets gesungen, das Stundengebet von der unbefleckten Empfängnis Mariens. Es werden der Rosenkranz und andere Gebete gebetet.
Das Jugendzentrum des Erzbistums Vilnius ist bemüht die Tradition der Jugendwallfahrt Vilnius – Lentvaris – Trakai wiederzubeleben und zu festigen. Am 9. September 2006 wurde der Jugendtag des Erzbistums mit solch einer Jugendwallfahrt eingeleitet. Die in Gruppen aufgeteilten Jugendlichen zogen mit verschiedenfarbigen Fahnen, Kirchenlieder singend, fröhlich die Passanten grüßend, so ihren lebendigen Glauben bezeugend. Inmitten der Masse der Jugend wallfahrte auch der Erzbischof von Vilnius, Kardinal Audrys Juozas Bačkis. Während der Wallfahrt hielten Priester und Ordensleute Katechesen über den Sinn der Wallfahrt, des Glaubens, von Gemeinschaft und Berufung.
Fast immer besuchen Trakai die Teilnehmer durch das Land reisenden längerer Pilgerzüge sowie auch Gruppen von Wallfahrern aus den Nachbarländern, die nach Aušros Vartai in Vilnius pilgern.